Was macht Prof. Köbler da unten?
In principio erat verbum. Eben! Und dann gab es irgendwann ganz viele Wörter. Obwohl ich seit jeher eine besonders ausgeprägte Affinität zu Sprachen hatte, hat mich der Griff zum Wörterbuch immer etwas Überwindung gekostet. Und das ist eher suboptimal, wenn man Sprachen studiert. Beim Lesen fremdsprachiger Bücher hatte ich insgeheim immer gehofft, dass sich das eine oder andere unbekannte Wort irgendwann im Laufe der Zeit aus dem Kontext ergeben würde. Und falls das nicht geschah, hatte ich einen ganz persönlichen Lösungsansatz. Wenn das besagte Wort während meiner Lektüre noch zehnmal auftauchen würde, dann würde ich es nachschlagen. Und diese Strategie war ziemlich gut. Spätestens dann wollte ich das Geheimnis nämlich wirklich lüften. Dieser Ansatz hat aus heutiger neurolinguistischer Sicht durchaus eine gewisse Berechtigung. Meine Hassliebe zu Wörterbüchern ist jedenfalls bis heute geblieben. Sie verblasste nur ein wenig durch die praktische Präsenz von Online-Nachschlagewerken und die Tatsache, dass es nicht mehr ganz so viele ungeklärte Begriffe gab. Dabei müssten doch alle, die mit Sprachen zu tun haben und arbeiten, dankbar sein und niederknien.
Die Existenz von Wörterbüchern erleichtert uns das Leben. Schließlich hat sich irgendwann jemand die Mühe gemacht, all diese Wörter zu recherchieren und schriftlich zu verewigen. Und während wir das als selbstverständlich betrachten, gibt es Menschen, die beinahe besessen sind von Wörterbüchern. Sie haben das Verfassen von Wörterbüchern auf ein solides wissenschaftliches Niveau gehoben und jemand von genau dieser Sorte sitzt da im Keller. Nicht in irgendeinem Keller, sondern im Keller der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Im Raum für emeritierte Professoren. Und dieser Jemand ist kein junger Student, der die Ruhe zum Lernen brauchte und in der Bibliothek keinen Platz mehr gefunden hat. Der Raum ist auch so versteckt, dass ihn nur Eingeweihte auf Anhieb finden. Auch ich habe ein paar Umwege gemacht. Das hat mich aber nicht weiter gestört. Ich liebe das alte Gebäude. Hier hat alles angefangen. Ein netter Herr hat mich dann zum Emeritierten-Raum begleitet. Schon von draußen hörte man, dass hier ordentlich gearbeitet wurde. Es klang beinahe so, als würde ein Wörterbuchspezialist bei der Arbeit sitzen.
Dabei handelte es sich um Prof. Dr. Gerhard Köbler, der am 20. April 1939 in Fürth geboren wurde und während seines Studiums der Rechtswissenschaften in Erlangen und Göttingen enttäuscht von den für seine besonderen Vorhaben nicht optimal verwendbaren vorliegenden Wörterbüchern war. Seitdem verfasst Herr. Prof. Köbler eben selbst Wörterbücher. Einfach um sicherzugehen, dass die benötigten Informationen auf aktuellem Stand und für jedermann leicht, schnell und kostenfrei greifbar sind. Und während andere Herren seines Alters sich definitiv längst zur Ruhe gesetzt haben, arbeitet der unermüdliche Experte immer noch an seinen Projekten. Aus purer Überzeugung. Dabei sieht er außergewöhnlich jung aus. Wie fit diese Tätigkeit hält, wurde mir in diesem Moment bewusst. Ich war froh über die Einladung des Professors und war gespannt auf seine Erzählungen. Ein Student war ebenfalls anwesend. Er saß am Computer und obwohl er völlig in seine Arbeit versunken war, schien ihn unser Gespräch so zu amüsieren, dass er ein paar Mal lachen musste. Um den Professor scharen sich immer wieder einmal ebenso faszinierte Studenten und Studentinnen, die ihm einen Teil der Arbeit abnehmen. Förderungen gibt es wohl keine.
Seine Website ist alles andere als lesefreundlich. Nur detailverliebte Interessierte kämpfen sich da durch. Wer in erster Linie für die Sache und damit für sich und gleichgesinnte Nutzer wirkt, kann besonderen Ruhm nicht erwarten und hat auch für search engine optimization nicht wirklich viel Zeit. Dabei liegt dem Wörterbuch-Experten das Optimieren richtig im Blut. Herr Prof. Köbler ist ein Idealist und als ich die Ehre hatte, ihn in seinem Keller zu besuchen, war ich wirklich beeindruckt. Dieser charmante, eloquente und unterhaltsame Professor hatte sein Leben wirklich den Wörterbüchern gewidmet und kurz bevor ich ihn wieder seiner Arbeit überließ, machte er mir noch ein großartiges Geschenk. Ein juristisches Wörterbuch. Von ihm persönlich verfasst und von feinster Qualität. Es war blau und man konnte Wörter wie „Ehre“, „Emeritierung“, „Fingerabdruck“ und „forensisch“ nachschlagen. Es ist im Vahlen Jura Verlag erschienen. Ich bekam die 17. Auflage. Der Begriff „SEO“ ist darin übrigens nicht enthalten. Wir Frauen lieben Geschenke und glücklich über meine Errungenschaft und diese großartige Begegnung, verließ ich die ehrwürdigen Gemäuer meiner alten Universität. Sie ist noch älter als der fleißige Professor, der die Welt immer noch mit seinen Recherchen bereichert und auch der in ihr wohnende Wissensdurst ist noch lange nicht gestillt.
In Kürze: Exklusivinterview mit Prof. Dr. Gerhard Köbler
Verfasst von: MMag. Nadja Gruber